Der Burgunder Jahrgang 2023: Das Jahr aller Gefahren

Der Burgunder-Jahrgang 2023 ist als einer aller Gefahren in die Geschichte eingegangen. Relativ nasse und zugleich warme Wetterbedingungen stellten das ganze Jahr hinaus die Winzer vor grosse Herausforderungen, da diese Bedingungen eine potenzielle Traubenüberproduktion begünstigten. Nicht zufällig vergleicht Allen Meadows, Burghound, 2023 vom Wetterprofil her mit den Jahrgängen 1992 (ein sehr mittelmässiger, jung zu trinkender Jahrgang voller Kontraste und erfreulicher Überraschungen) und 2000 (ein sehr guter Weisswein-Jahrgang, ein unterschätzter Rotwein-Jahrgang), die nicht in die Annalen des Anbaugebiets eingegangen sind. Dennoch haben die sorgfältigen und fleissigen Arbeiten im Weinberg Erzeugnisse hervorgebracht, die die einzigartige Kombination aus Terroir, Tradition und modernem Können widerspiegeln. Ein Jahr also mit heterogenen Ergebnissen, von denen viele, wenn ausgereift, ein beeindruckendes Niveau erreichen werden.

Das Jahr aller Gefahren

In seiner Zusammenfassung des Jahrgangs 2023 (Link) gibt das BIVB – Bureau Interprofessionnel des Vins de Bourgogne – folgende Graphik heraus, wobei:

Die Quintessenz der Graphik ist:

  • Die Graphik zeigt, dass 2023 (Link) das bisher wärmste Jahr überhaupt gewesen ist. Auch wenn der Unterschied zu 2022 nur + 0,2 °C beträgt.
  • Die jährliche Sonneneinstrahlung der Jahrgänge 2023, 2020, 2019, 2018, 2015 und 2003 ist nahezu identisch. Bemerkenswert ist dabei einerseits, dass sie 2022 grösser war, und anderseits, dass die Trauben 2015 nur eine sehr dünne Schale hatten.
  • Einige Winzer ziehen aufgrund des Wetterverlaufs eine Parallele zwischen 2023 und 2017 (Link). Die Graphik zeigt aber Kontraste zwischen diesen beiden Jahrgängen – jedoch ohne dass diese so relevant sein müssten, wie es u. a. bei 2005 (Link) und 2010 (Link) der Fall ist. Was auch begründet, dass nicht alle Winzer 2017 und 2023 vergleichen.
  • Das Argument der Analogie zwischen 2023 und 2017 gilt ebenfalls nicht, was die Qualität der –sich zum Zeitpunkt der Redaktion des vorliegenden Berichts noch im Ausbau befindlichen – Weine angeht. 2017 ist ein hervorragender Weissweinjahrgang, bestimmt sogar der beste der letzten Dekade. 2023 gilt bereits als sehr guter Jahrgang mit dennoch einer kürzeren Lebenserwartung. Die Überproduktion an Trauben dürfte auch zu Qualitätsschwankungen führen. Was die Rotweine angeht, vereinfacht sich die Analyse bzw. der Vergleich auch nicht wirklich. Im Jahrgang 2017 setzte sich die Côte de Beaune gegenüber der Côte de Nuits durch. 2017 ist eindeutig ein grandioser Jahrgang in der Côte de Beaune. In der Côte de Nuits haben die Erträge das verhindert. Daher ist es empfehlenswert, in diesem Gebiet, selektiv zu sein. Und zwar ohne von heterogener Qualität sprechen zu können. Im Jahrgang 2023 ist es hingegen anders, wie wir im Absatz «Grüne Ernte, was noch?» schildern. Was wiederum auf keinen Fall bedeutet, dass die verkannteren Domaines ignoriert werden dürfen. In Pommard zum Beispiel hat die Domaine Moissenet-Bonnard einen beeindruckenden Jahrgang produziert. Dies gilt für die 15 Erzeugnisse, die wir Mitte März 2025 verkostet haben und die wir im Juni in einem Bericht bewerten werden.
  • Wenn man sich auf das aktuell durchaus ansprechende und weiterhin vielversprechende Qualitätsniveau der Weine aus dem Jahrgang 2013 (Link) stützt, in dem es nicht nur viel Wasser – ein Jahr mit einem Niederschlagsüberschuss (+ 34 % im Vergleich zum damaligen Normalwert zwischen Januar und Oktober) –, wenig Sonne – erste Jahreshälfte defizitär, da minus 30 Prozent im Durchschnitt, dafür mit Überschüssen von 20 Prozent im Juli und August – und viele Pflanzenschutzbehandlungen – da die Weinberge laut inoffiziellen Quellen zwischen 13 und 17 mal behandelt wurden– gab, darf man zuversichtlich sein, dass der Jahrgang 2023 einmal in der Flasche die höchsten Ansprüche erfüllen dürfte. Sofern, wie wir im nächsten Absatz darlegen, die Winzer auf die Weisheit vertrauten, dass der Wein im Weinberg gemacht wird. Also dass sie bereits sehr früh gegen hohe Erträge kämpften.
  • Die Graphik liefert dafür keine Informationen über die Gesamtproduktion jedes Jahrgangs.  Allein wetterbezogene Daten haben meines Erachtens wenig Sinn. Die hervorragenden Jahrgänge 2012 und – noch nicht ganz verstanden – 2016, die sich im gleichen Kreis wie 2000, 2001, 2004, 2007 und 2008 befinden, sind ein Beweis dafür. 

Der Markt

Zusammenfassend haben die meisten Domaines, mit den wir auf diversen Veranstaltungen in den letzten 18 Monaten das Thema angeschnitten haben, ein klares Signal gesandt: Alles deutet auf stabile bis leicht niedrigere Preise als im Jahr 2022 hin. Wir schliessen sogar die Möglichkeit nicht aus, dass gewisse Händler Preisnachlässe vornehmen. Es ist mit dem Jahrgang 2022 zumindest bei einem renommierten Schweizer Weinhändler passiert (der Rabatt betrug zehn Prozent auf verschiedene, auch hochkarätige Erzeugnisse). Solche sehr edlen Initiativen sind zu loben. Die Gründe sind für den Endkunden – das bin ich auch! – völlig irrelevant. Schliesslich soll sich der Weinliebhaber auf ein anderes Argument fokussieren: Die enorme Qualität im gesamten Anbaugebiet öffnet jedoch die Tür für grossartige Akquisitionen, die auf dem relativen Wert zwischen Appellationen und Produzenten basieren. Nicht zu vergessen ist dabei, dass auch weniger bekannte bis verkannte Domaines ein hervorragendes Preis-Qualitätsverhältnis bieten. 

Wir bewerten über 60 Weine des Jahrgangs 2023 in zwei dedizierten Berichten:


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