Am liebsten mit Melone und San-Daniele-Schinken? Am liebsten mit in Cocktail Sauce ertränkten Crevetten? Hilfe, zum Glück nicht! Weisse Portweine verdienen massgebend viel Besseres, denn weisser Portwein ist ein wesentlicher Teil der portugiesischen Kultur. Weisser Portwein ist aber auch «eines der bestgehüteten Geheimnisse Portugals […], die aus weissen Trauben wie Viosinho, Malvasia Fina, Códega und Rabigato hergestellt werden», wie es Julie Sheppard (Link), unter anderem Spirituosenredakteurin, in einem im August 2021 im Decanter veröffentlichten Artikel (Link) schrieb. Dies, obwohl der Decanter den Akzent auf Portonic (Link) setzen zu wollen scheint… Ein Chip Dry, wie ihn das prestigeträchtige Haus Taylor Fladgate 1934 (Link) erfunden hat, ist zwar ein weisser Portwein, wir sind aber der Meinung, dass es ein sehr gewagter Abstrich ist, sich auf diese Wahrnehmung zu beschränken. Dies gilt ebenso für einen Blend Nr. 5 White Port des renommierten Hauses Graham’s (Link), dessen Ziel darin besteht, die «Mixologie» (dt. die Kunst des Cocktail-Mixens, (Link) zu fördern. Es ist, als ob man die Bordeaux-Weissweine mit der Bezeichnung Entre-Deux-Mers zusammenfassen würde.
Die Verkostung
Die Weine wurden am 27. März 2025 im Rahmen der Expovina Primavera (Link) in Zürich verkostet. Die PortWine Company (Link) nimmt jedes Jahr daran teil und bietet immer ein ausserordentlich faszinierendes Programm – diesmal im Bereich der weissen Reserve Portweine, Andresen vs. São Leonardo.
Andresen vs. São Leonardo
Zusammengefasst gleicht die Gegenüberstellung zwischen Andresen und São Leonardo, gewöhnlich Leonardo genannt, einem zickigen Zickenkrieg zwischen zwei Modezaren! Andresen ist mit einem Armani-Anzug vergleichbar, Leonardo ist hingegen das ideale Kleid für die «Reykjavik’s punk somm scene».
Andresen Colheita 1991 Special Selection
Ein Wein (Link), der aufgrund seiner Komplexität die Vorstellungskraft des Weinliebhabers übersteigt. Ein Wahnsinn aus Verführung und Komplexität. Man vergisst alles, was man über Wein weiss, und schwelgt nur noch in den Empfindungen, die dieser Portwein auslöst. Die Nase wirkt sehr frisch, fast frech jugendlich, intensiv, präzis und reintönig. Es ist eine raffinierte Explosion exquisiter Düfte nach getrockneten Früchten wie Orangen, Zitronen und Aprikosen mit einem Touch von Mango, aber auch von Blumen und weissem Pfeffer. Das Ganze erinnert mich im Hintergrund an eine Reise nach Montélimar, der französischen Hauptstadt des Nougat (hat nichts mit Torrone zu tun!). Der Gaumen bleibt auf dem gleichen Niveau, es ist ein raffiniertes Elixier kandierter Früchte, wir sind bei der Familie Lilamand in Saint-Rémy de Provence. Das Ganze wirkt durch die Mineralität im Gaumen gehoben, wobei sich eine strahlende, stützende Säure zeigt. Aromatisch bewegen wir uns im gleichen Register, wobei kandierte Williams-Birnen und Edelholz das Bild nun abrunden. Ein rundum beeindruckendes Erzeugnis mit einem sehr lang anhaltenden Abgang. 19/20 (97/100). Bemerkenswert bei den Fruits Confits (dt. kandierte Früchte), einer Spezialität aus der Provence, ist, dass sie ein Erbe von Nostradamus sind.
