Tenuta Licinia: Von den Grundlagen der Ethik zu den Schieferböden von Licinia

Der Engländer James Marshall-Lockyer ist der Enkelsohn des belgischen Grafs Jacques de Liedekerke, der in den 1970ern die Tenuta Licinia (Link) gründete. Eine Gründung war es allerdings nicht wirklich, da er einen bereits existierenden, wenngleich ausgefallenen Bauernhof erwarb. Während der Betrieb unauffällig war, genoss die malerische, elliptisch gebaute Stadt Lucignano südlich von Florenz an der Grenze zwischen den Provinzen Siena und Arezzo bereits einen stolzen Ruf im Weinbau, da Wein bereits zur Zeit der Etrusker produziert wurde. Eine Tradition, die in der Gemeinde mit weniger als 4‘000 Seelen allerdings während der verschiedenen sozialen Umwälzungen in den vergangenen Jahrhunderten ausstarb.

Geologischer Ansatz für Mikro-Parzellen

Die übermässige Konzentration auf die spezifische Geologie ist eines der Elemente, die die Tenuta Licinia von anderen toskanischen Weingütern unterscheidet, die eine andere Vorstellung von Terroir haben. Oft wird der Begriff Terroir mit einem Dorf oder einer Gemeinde in Italien genauso in Verbindung gebracht wie mit dem Untergrund – aber die Tenuta Licinia ist der Ansicht, dass es keinen Sinn macht, den Begriff Terroir auf eine Gemeinde zu beschränken, da der Untergrund eine entscheidende Rolle für die Weinqualität und -identität spielt und sich in der Toskana schnell verändert und uneinheitlich ist.

Die Verkostung

Die Weine wurden am 14. März 2025 verkostet, die beiden Fassproben einen Monat früher.

Sasso di Fata 2022

Durchaus angenehme, elegante, geschliffene Nase, die zeigt, dass man nicht zwangsläufig im Bolgheri-Gebiet sein muss, um ein durchaus gelungenes Erzeugnis im Bordeaux-Stil zu produzieren. Aus dem Glas strömen reintönige und durchaus köstliche Düfte nach Pflaumen, Kirschen, schwarzen Johannisbeeren und Himbeeren sowie floralen Elementen, insbesondere Rosenblättern, aber auch pfeffrigen Ansätzen. Ein Bouquet mit einer guten Tiefe und einem versprechenden Potenzial. Vollmundiger, saftiger, wiederum geschliffener,
samtiger Gaumen mit dem nötigen Pepp, der von der lebhaften Säure gefördert wird, einem geschmackvollen Melting-Pot dunkler Früchte, die mit pfeffrigen Noten verwoben sind, einer mineralischen Grundlage und einem langen, eleganten Abgang. 17.75/20 (92/100).

Sasso di Fata 2021

Zurückhaltende erste Nase, die sich erst nach ein paar Stunden öffnet. Lässt dann seine Klasse, seine Eleganz, sein klassisches Bordeaux-Profil mit allerdings deutlich mehr Mineralität zum Vorschein kommen, als man gewohnt ist. Das Versprechen für einen grossen Wein ist dennoch klar vorhanden, sein etwas intellektuelles Format, wie es ihm James Marshall-Lockyer zuordnet, steht ihm sehr gut. Nach genügender Zeit strömen reintönige und komplexe, ausgefeilte und grundsätzlich rassige Düfte nach ausgereiften, saftigen Kirschen, Brombeeren, Rosenblättern, Kräutern, schwarzen Johannisbeeren und etwas Milchschokolade aus dem Glas. Der eindeutige Mehrwert des Ausbaus in 500-Liter-Fässern ist die durchaus gelungene Einbindung vom kaum wahrnehmbaren Holz, das macht richtig Spass. Vollmundiger, strukturierter, saftiger, raffinierter, wieder prägnant mineralischer Gaumen, eigentlich mehr im Stil eines Erzeugnisses aus dem Loire-Gebiet als aus Bordeaux, die präzise Frucht ist köstlich und generös, die dunklen Beeren vom Bouquet sind wiederzuerkennen, die Tannine und die lebhafte Säure harmonieren sehr gut und versprechen ein sehr gutes Lagerpotenzial, während der Abgang lange anhält und in seiner Stilistik wieder an das Loire-Gebiet erinnert. 18+/20 (93+/100).





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