Am 3. Juni 2024 fand die hochgepriesene Veranstaltung der Schweizer Weinhandlung Gerstl Weinselektionen (Link) in Zürich statt. Nicht nur aufgrund der hervorragenden Qualität des Jahrgangs 2022 besuchte ein breites und gespanntes Publikum das Event. Mit bestimmt den beiden gleichen Kernfragen: Ist der Jahrgang effektiv so beeindruckend gelungen, wie man es überall liest? Und lassen sich die verlangten Tarife begründen?
Die Veranstaltung
26 Domaines präsentierten ihre Weine mit im Durchschnitt vier Erzeugnissen, wobei die Auswahl nicht nur die beiden renommierten Appellationen Côte de Beaune und Côte de Nuits, sondern auch das Chablisien und die Côte Mâconnaise umfasste. Wir haben etwa 80 Crus in einer durchaus angenehmen Atmosphäre verkosten können, waren aber etwas erstaunt, dass die bekannten Pressevertreter nicht anwesend waren.
Die Weine
Domaine Boris Champy, Montagne de Cras Elévation 382, Bourgogne Hautes-Côtes de Beaune 2021
Elévation 382 deutet darauf hin, dass sich die vier Hektaren grosse Parzelle auf einer Höhe von 382 Me-tern über dem Meer befindet. Es werden eigentlich drei Hektaren bebaut, der übrige Hektar gilt als Naturgebiet mit hoher Biodiversität, gebildet von Steinhaufen, Hecken, Obstgärten und kalkhaltigen Wiesen. «Cras» weist darauf hin, dass die Parzelle sehr viel Steine erhält.
Der Montagne de Cras 2021 erweist sich als Wein, der aufgrund seiner köstlichen Frische, seiner Ausgewogenheit, seiner Finesse und seiner Präzision Gänsehaut verursacht. Von einem Wein zu so einem freundlichen Preis würde man nicht unbedingt eine grosse Komplexität erwarten, sondern vielmehr unmittelbare Zugänglichkeit. Beides ist aber da, sehr präsent und ein Genuss. Es strömen reintönige und frische Düfte nach weissen Blüten, Orangenblüten, Zitrusfrucht, gelben Früchten und Birne aus dem Glas. Der Gaumen ist vollmundig und köstlich, geschmeidig, geschliffen, rassig, der Abgang lang und mineralisch, da kommt das Können von Boris Champy richtig zur Geltung und ich ziehe gerne eine Parallele zu Laurent Ponsot. Solche Winzer brauchen nicht zwangsläufig die besten Terroirs, um das Spektrum ihres respektiven Talents unter Beweis zu stellen. William Kelley bewertet diesen Wein mit 91/100, Vinous mit 91-92/100, wir erteilen ihm 17.75/20 (92/100), finden jedoch, dass die 94/100 Punkte von James Suckling nicht wirklich über-trieben sind.
Pierre Girardin, Bourgogne Eclat de Calcaire 2022
Arte Povera in ihrer puristischsten Form. Kompromisslosigkeit auf dem Höhepunkt, unerschütterliche Harmonie. Braucht man mehr Details zu geben? Eine Einleitung in die Welt von Pierre Girardin, von der viele Winzer träumen würden. Die Trauben stammen aus im Durchschnitt 35-jährigen Rebstöcken aus fünf Parzellen, wobei sich drei in Meursault und zwei in Volnay befinden. Frische, tiefe, lebhafte, karge, straffe, vielversprechende, reintönige Nase mit ausgereiften, präzisen, mehrheitlich mineralischen, fesselnden Düften nach weissen und leicht exotischen Früchten. Saftiger, straffer, geradliniger, kompromissloser Gaumen, präsente, aber perfekt eingebundene Säure, guter und energischer Stoff, bereitet bereits heute sehr viel Spass, dürfte aber anständig altern können. 17.75/20 (92/100).
Domaine des Beaumont, Gevrey-Chambertin 1er Cru Aux Combottes 2022
Der Gevrey-Chambertin 1er Cru Aux Combottes 2022 erfüllt genau das, was von einem Erzeugnis aus dieser Appellation erwartet wird. Ausdrucksvoll, tief, geschliffen und reintönig, elegant und präzis, aktuell noch ziemlich zurückhaltend, die Nase bietet köstliche Düfte saftiger, roter und dunkler Beeren, etwas Schokolade und Würze, das bereitet viel Genuss und dürfte sich wunderschön entwickeln. Vollmundiger, kräftiger und doch delikater, raffinierter, geschmeidiger und geschmackvoller Gaumen mit durchaus sinnlichem Stoff, süsslichen Noten in den mehrheitlich von Kirschen geprägten Aromen, sehr schön eingebundener Säure und einem überzeugenden Abgang. 17.75/20 (92/100).
Pierre Girardin, Pommard 1er Cru Les Grands Epenots 2022
Zugekaufte Trauben von 50-jährigen Rebstöcken. Ganztraubenvergärung. 50 Prozent neues Holz in 456-Liter-Fässern.Breitschultrig und doch durchaus elegant, ja sogar raffiniert und rassig, tiefsinnig, ausgereift, reintönig und präzis, frisch und komplex, was da im Glas passiert, könnte einen in 15 Jahren das Fürchten lehren, es gibt so viele Düfte und so viel Stoff, es gibt meines Erachtens in Pommard nur zwei Domaines, die diese Qualität übertreffen. Rote und dunkle Beeren, Pfingstrosen, Rosenblätter und mineralische Komponenten strömen aus dem Glas und verführen bereits in der ersten Nase. Vollmundiger, stoffiger, geschliffener, wiederum raffinierter und seidiger, subtil süsslicher Gaumen mit einem beeindruckenden Potenzial. 18.25+/20 (94+/100).

