La Paulée de Zurich

In der Agenda der Burgunder-Liebhaber gilt der Monat November als wichtigster Meilenstein überhaupt. Es genügt zu beobachten, in welchem hellen Aufruhr sich die Hauptstadt der Burgunder Weine, Beaune, am dritten Wochenende des Monats befindet, um einen unvergesslichen Moment lang mitzufiebern. Weinliebhaber aus ganz Europa begeben sich in die 20’122-Einwohner-Stadt, um bei der weltweit berühmten Auktion der Hospices de Beaune dabei zu sein. Die Strassen sind überfüllt, hier und da heizen Guggenmusik-Gruppen die Stimmung an, dort kann sich das begeisterte Publikum mit lokalen Spezialitäten wie den unvermeidlichen Jambon persillé und Oeufs en Meurette stärken oder noch die lokalen Biermarken verkosten.

Jeder fragt sich, ob das Ergebnis der Auktion den Rekord des Vorjahres – 28 Millionen Euro im Jahr 2022 – brechen wird und wie der Präsident der Auktion – immer eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens – die Bieter buchstäblich begeistern wird, wie es der französische Theater- und Filmschauspieler Fabrice Lucchini im November 2010 geschafft hat (Link), damit das Stück des Präsidenten, in diesem Jahr ein Fass 2023er Mazis-Chambertin, zu einem Preis, der den Gesetzen der Schwerkraft widerspricht, einen Käufer findet – 660’000 Euro im Jahr 2020 für ein Fass Clos de la Roche, 800’000 Euro im Jahr 2021 für ein Fass Corton-Renardes. Die Winzer öffnen ihre Keller und organisieren spezielle Verkostungsprogramme, die sich oft als sehr interessant erweisen. Guter Wein fehlt nicht, und wenn eine Domaine für ihre Produktion nicht besonders geschätzt wird, organisiert sie eine geführte Tour zu irgendeinem spannenden Thema…

Am 4. November 2023 fand die erste Schweizer Paulée zu Ehren des Burgunderweins also in Zürich statt. Weiter erinnerten Markus Liechtenstein und Christian Raubach daran, dass «[d]er Kern von La Paulée […] jedoch überall derselbe [ist]: Die Teilnehmer bringen eine oder zwei schöne Flaschen Burgunder aus ihrem Keller mit, die sie mit den anderen Gästen teilen. So entsteht eine Atmosphäre der „convivialité“ (dt. Geselligkeit), wie die Franzosen sagen, und eine einmalige Gelegenheit, Raritäten aus verschiedenen Kellern zu probieren sowie neue Wein-Freundschaften zu knüpfen». Dazu passt ein feines Menü, wobei die Vorspeise, eine «Terrine Bourguignonne» vom Starkoch Beat Caduff (siehe Link und Link) zubereitet wurde. Besonders geschmackvoll war der Hauptgang «Coq au vin, Petersilien-Kartoffelpurée, Bundkarotten», während die buchstäblich fantastische «Käseplatte mit diversen burgundischen Sorten, Dijon-Senf, Trauben und Nüssen» durch die breite Auswahl köstlicher französischer Käsesorten beeindruckte.

Die Weine

Paul Pillot, Chassagne-Montrachet 1er Cru La Romanée 2013

Eindeutig das Monument des Tages. Es beginnt alles mit einem angenehmen Spaziergang an einem frischen Frühlingstag in einer Blumenschau, so etwas vielleicht wie der Chelsea Flower Show. Die raffinierte, tiefsinnige und raffinierte Nase bietet eine breite und harmonische Komposition floraler und subtil würziger Düfte. Und der Gaumen steht ihr in nichts nach. Ein Wein, der eigentlich seinen Platz in der Magnumflasche verdient. Da, wo im Bouquet Blumen vorhanden sind, begegnet man nun Frucht, einer köstlichen Frucht am fülligen Gaumen, die voll in Harmonie mit den Düften steht. Das ist Wahnsinn pur, Präzision, Reintönigkeit, das Ganze wird durch die perfekt eingebundene, erfrischende Säure unterstützt. Wie mein Freund Christian Raubach, der Mitorganisator der Paulée de Meursault, sagt, diese Crème de citron (dt. Zitronencrème) ist einfach unwiderstehlich. Ein Wein für heute, morgen oder bestimmt auch in zehn Jahren. 18.5/20 (95/100).

Comtes Lafon, Meursault-Charmes 1er Cru 2016

Wenn es nun keine Frage des Preises sein dürfte… Geradlinige, ultrapräzise, tiefsinnige, harmonische und vielfältige Nase, die sich wie Alice im Wunderland von Lewis Carroll wahrnehmen lässt. Man kann sich auf die unwahrscheinliche Reintönigkeit konzentrieren, man kann sich auf die unglaubliche Komplexität konzentrieren, man findet einfach jederzeit einen Grund, um sich verführen zu lassen. Mit exquisiten, ausgereiften und erfrischenden Düften nach Zitrusfrucht, Pfirsich, Feuerstein, Haselnuss, Mandel, weissen Blumen, Honig und mineralischen Komponenten begegnen wir hier dem komplexesten Bouquet der Weissweinserie, das ist einfach ganz grosses Kino. Vollmundiger, tiefer, konzentrierter, geschmeidiger, raffinierter, wiederum durchweg harmonischer Gaumen, rassige Säure, die das Ganze sehr schön ergänzt, jedes Element ist an seinem Platz und bereit für eine wunderschöne Entwicklung. 18.25-18-5/20 (94-95/100).

Joseph Drouhin, Beaune 1er Cru Clos des Mouches 2007

Aus einer Burgunder-Jeroboam.
Mit Chanson produziert Drouhin den schönsten Clos des Mouches überhaupt, und zwar sowohl in der weissen als auch in der roten Farbe. Ein Erzeugnis mit einem sehr guten Alterungspotenzial, das jeder Burgunder-Liebhaber kennen muss.  Ein Ausdruck der raffinierten, reintönigen und generösen Frucht, ohne jedoch eine Karikatur davon zu werden, wie zumindest ein Winzer in Volnay sie produziert. Intensive und frische, raffinierte und präzise Nase mit köstlichen Düften nach roten Beeren, darunter Himbeeren und saftigen Kirschen, Bauernhof, würzigen Komponenten sowie Unterholz auf einer mineralischen Grundlage kleiner Kiessteine. Vollmundiger, saftiger, rassiger Gaumen mit feingliedrigen, ausgereiften Tanninen, vorhandener, aber sehr gut eingebundener Säure, die Aromen spiegeln wunderschön die Düfte im Bouquet wider, ein grossartiger Wein mit einem sehr guten Abgang aus einem Jahrgang, der nicht der einfachste gewesen ist. 18.25/20 (94/100).

Domaine de la Romanée-Conti, Echézeaux (Grand Cru) 2014

Der grösste Teil der Trauben dieses Weins wurde im Lieu-dit Poulaillères gelesen.
Kauft man hier die Qualität des Weins, den Traum, mal eine Flasche aus der DRC verkostet zu haben, oder die Möglichkeit, diejenigen zu beeindrucken, die nie ein Erzeugnis der DRC verkostet haben und daher nicht selber beurteilen können, ob 1) das Preis-Qualitätsverhältnis bei anderen Domaines besser ist und 2) andere Produzenten einen besseren Echézeaux produzieren? Gerade da liegt das Problem. Es ist unbestritten, dass die Domaine de la Romanée-Conti einen grossartigen Echézeaux erzeugt, doch er ist nicht der Beste. Persönlich finde ich sogar, dass sich die Weine der DRC ab Stufe Richebourg definitiv lohnen. Ausserordentlich elegante und finessenreiche, tiefsinnige, schlanke und komplexe Nase mit roten Beeren, Blutorangen, Kräutern, Schwarztee und erdigen Komponenten, insbesondere nassen Kieselsteinen. Vollmundiger, geschliffener, geradliniger, raffinierter Gaumen und langer Abgang. 18/20 (93/100).

Arnoux-Lachaux, Latricières-Chambertin (Grand Cru) 2013

Eine Flasche aus meinem Keller.
Der unverwechselbare Stil des jungen Charles Lachaux, der allein es bestimmt schafft, einem Latricières das nötige Fleisch zu verleihen, damit er am Ende mit einem Chapelle-Chambertin verwechselt werden könnte. Kindermord? Selbstverständlich. Auch, wenn sich 2013 aktuell sehr gut geniessen lässt. Charles hat 2012 seinen ersten Jahrgang vinifiziert. Einer der grossen Erfolge der Verkostung. Ob diese Flasche ihren aktuellen Preis auf dem Markt verdient, ist eine andere Frage. Weiter lagern, nichts eilt. 18.5/20 (95/100).




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