2022 ein grosser Jahrgang – von der Qualität her ist ein Kauf zu empfehlen
Eine Presseschau des 2022er Jahrgangs zeigt, dass wir offenbar einen grossen Jahrgang haben. Das Jahr war sehr heiss und trocken und soll trotzdem nicht überladene Weine hervorgebracht haben. Also keine Erzeugnisse im Stil des Jahrgangs 2003. Das wäre in der Tat eine schöne Überraschung.
Man weiss ja, dass die Bordeaux Marketing-Maschine den Narrativ jeweils so legt, dass der beste Jahrgang immer der noch nicht verkaufte ist. Gleichzeitig muss man neidlos eingestehen, dass Bordeaux in den letzten 20 Jahren kontinuierlich an seiner Qualität gearbeitet hat und heute in der Preisspanne 25-75 Fr. Weine herstellt, die nur schwer zu schlagen sind. Burgunder sind vielleicht noch finessenreicher, aber sicher nicht für diesen Preis. Weine aus Italien, Spanien und Übersee zeigen sich vielleicht zugänglicher in der Jugend, aber aromatisch oft banaler oder zu schwer. Ein guter Bordeaux sitzt eben in dem «Sweet Spot», den fortgeschrittene Weintrinker so schätzen Ein mittelschwerer Wein mit guter Struktur, deshalb ein exzellenter Essensbegleiter und nach 10-15 Jahren Flaschenreife mit einer wunderbaren, aromatischen Tiefe.
Die Verkostung
Nach der heutigen Verkostung schliesse ich mich den positiven Stimmen an. Es sind tolle Weine, reichhaltig, aber nur gelegentlich mit einer Schwere, die letztlich in den Jahrgängen 2018 und 2020 zu sehen war. 2022
erinnert mich eher an 2010, auch ein «more of everything» Jahr. Die Präzision der Tannine ist heute noch besser, aber eines ist beiden Jahrgängen klar Eine Trinkreife der grossen Namen ist nicht vor 15 Jahren zu erwarten. So viel Geduld muss beim 2022er sein! Daniel Gazzar hat an der Degustation auch eine attraktive Liste von Jahrgängen 2010-2020 aufgelegt. Wer erst kürzlich angefangen hat, einen Bordeaux Keller aufzubauen, tut sich gut daran, immer auch «back vintages» zu kaufen. Es gibt nichts Schlimmeres als den Keller voller Wein, aber nichts zu trinken zu haben.
2016 Les Carmes Haut-Brion
Wahrscheinlich der Aufsteiger der letzten 10 Jahre. Jean-Marc Quarin hat dies als erster bemerkt. Ein neues Team arbeitet hier mit Volltraubenvergärung, etwas was man sonst vor allem im Burgund sieht. Ob das nun auch die Zukunft in Bordeaux ist, weiss ich nicht. Egal, hier funktioniert es. Die Weine sind seit 2014 sehr aromatisch und elegant. Der 2016er war heute verschlossen, seine Grösse aber erkennbar. Nicht vor 2030 öffnen 18.75+/20 (96+/100).
2022 Les Carmes Haut-Brion
Sieht dem 2016er sehr ähnlich, noch einen Tick geschliffener. Er besticht mit grosser Frische, Brombeeren und Feuerstein-Noten. 19/20 (97/100).
2022 Haut-Bailly
Sehr gut gelungen, frisch, gute Struktur, die Tanninqualität stimmt. 18.75/20 (96/100).