24. September 2020. In Italien ist etwa die Hälfte der Weinernte abgeschlossen und wir haben nachgefragt, wie diese bisher für einige der “klassischen” italienischen Rebsorten verlaufen ist.
Vermentino. Nördlich der Alpen ist diese Rebsorte Synonym für Urlaub am Meer in Italien und gilt gleichzeitig als sehr raffinierte weiße Interpretation des italienischen Weinbaus. Von der Insel Sardinien, wo sie eine der Hauptrebsorten darstellt, kam ein Feedback des Weinguts Siddùra (37 Hektar Rebfläche), das aus dieser Sorte drei Weißweine erzeugt: Spèra, Maia und Bèru, aufsteigend immer komplexer werdend. “Den größten Teil unserer Vermentino-Trauben haben wir in der ersten Septemberhälfte geerntet. Dann haben wir aufgrund leicht sinkender Temperaturen und einiger Regentage die weitere Lese etwas aufgeschoben, aber am 21. September war sie beendet” erzählt Gutsdirektor Massimo Ruggero. “Auf Siddùra haben wir perfekt gesunde Trauben mit schöner Säure geerntet, eine Grundvoraussetzung, um dem Vermentino auch Langlebigkeit auf der Flasche zu schenken. Die Mengen entsprechen genau denen der Vorjahre“ fügt Ruggero hinzu. “Unser heißes und trockenes Klima eignet sich optimal für den Anbau von Vermentino. Es gab immer ausreichend Wasser bis auf die wärmsten Wochen zwischen Juli und August, in denen wir gezielt eingreifen mussten, um die richtige Feuchtigkeit im Boden zu garantieren“.
Pinot Bianco/Weißburgunder. Eine weitere wichtige Weißweinrebe, diesmal aus dem Norden Italiens, die am Fuße der Alpen auch sehr elegante Interpretationen hervorbringen. Die Kellerei Kaltern (450 Hektar Weinberge) ist mit 650 Mitgliedern die größte Winzergenossenschaft Südtirols und geht aktuell in die Schlussphase der Lese. Kellermeister Andreas Moser verhehlt nicht, dass die Niederschläge im August die größte Herausforderung dieses Jahres bedeuteten. „Der Beginn der Lese hat uns hart auf die Probe gestellt, aber ich bin sehr zufrieden mit dem bisher geernteten Pinot Bianco und vor allem mit den Trauben für unseren Cru Vial. Erste Analysen ergaben eine sehr positive Perspektive: guter Säuregehalt und niedrige pH-Werte. Ich kann mir vorstellen, dass der Weißburgunder dieses Jahres eine wirklich interessante Würze haben wird und vor allem die Partien, bei denen wir mit der Ernte abgewartet haben, haben uns Trauben mit idealem Reifegrad beschert, die – da bin ich sicher – große, lagerfähige Pinot Bianco-Weine ergeben werden“.
Sangiovese. Die Königsrebe der Toskana ist der „Grundstoff“ für einige der berühmtesten und bekanntesten Rotweine Italiens wie den Chianti Classico und den Brunello di Montalcino, aber auch den Morellino di Scansano, den Vino Nobile di Montepulciano und zahlreiche edle IGT-Weine. Auf Castello di Brolio (240 Hektar Rebland), historische Ikone des Chianti Classico, ist die Sangioavese-Lese in vollem Gang. „Leicht verfrüht haben wir Mitte September mit der Ernte der Sangiovese-Trauben begonnen. Bis heute haben wir die Trauben der am ehesten reifenden Parzellen und auch die für einige edle Crus wie den Roncicone in den Keller gebracht. Die Lage Colledilà ist fast reif für die Lese, während die Parzellen, aus deren Trauben der Cru CeniPrimo vinifiziert wird, erst Anfang Oktober gelesen werden. Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir sehr gesunde Trauben ernten konnten, die von der schönen Wärme in der ersten Septemberhälfte profitiert haben“ erzählt Francesco Ricasoli hochzufrieden. Auch auf Tenuta Luce (88 Hektar Rebgärten), dem Spitzenweingut aus Montalcino, hat die Lese des Sangiovese begonnen. „Man muss sich bereithalten, um im richtigen Moment zu ernten“ erklärt Marchese Lamberto Frescobaldi. „Wir haben am 18. September damit begonnen, den Sangiovese zu ernten, aber mit der Lese der für unseren Cru Luce Brunello bestimmten Trauben werden wir noch einige Tage warten. Wir sind sehr positiv gestimmt: die Trauben sind schön und präsentieren ein hohes Aromenpotenzial. Wir vertrauen somit auf einen weiteren schönen Brunello-Jahrgang für Tenuta Luce“.In der Maremma ist die Lese des Sangiovese sogar schon abgeschlossen. „Klar, die Temperaturen waren hoch im August, aber es gab auch kühle Nächte und einen konstanten Wind und nur an einigen Tagen haben wir ganz gezielt bewässert. Die Lese begann verfrüht mit einer intensiveren Selektion im Weinberg, und wir freuen uns über schöne, kräftige Trauben mit optimaler Polyphenolreife, also sehr vielversprechend. Das gilt sowohl für den Sangiovese für den Morellino di Scansano als auch die Trauben für unseren renommierten Cru Poggio Valente“ bestätigt Ettore Rizzi, Inhaber und technischer Direktor der Fattoria Le Pupille (80 Hektar Rebfläche), führendes Weingut des Anbaugebiets, das die Maremma und ihren Morellino weltweit bekannt machte.
Nebbiolo. Ein weiterer, unbestrittener Protagonist unter den italienischen Rebsorten ist der Nebbiolo, aus dem in den Langhe im Piemont die Spitzenweine Barolo und Barbaresco erzeugt werden. Das Weingut Pio Cesare (75 Hektar Weingärten) zählt die Tage bis zur Lese bereits rückwärts: „Unsere Nebbiolo-Trauben stehen kurz vor der Vollreife, die wir in circa 10 Tagen erwarten. Der volle Zuckergehalt ist schon erreicht, die Phenolreife aber noch nicht ganz. Wir werden in den ersten Oktobertagen mit der Lese beginnen und damit früher als in den letzten Jahren“ erklärt Federica Boffa aus der fünften Eigentümer-Generation.
Merlot, Cabernet Sauvignon & Co. Auch internationale Rebsorten haben in Italien ein ideales Habitat gefunden, bringen exzellente Weine hervor und in einigen Gebieten werden sie inzwischen als „heimisch“ betrachtet. Zu den Kultweingütern gehören Masseto (11 Hektar Rebfläche), dessen gleichnamiger Wein als wahre Legende gilt, und Ornellaia (115 Hektar Weinberge), dessen Rebgärten in Bolgheri mit maximaler Sorgfalt nach den Prinzipien einer nachhaltigen Landwirtschaft gepflegt werden. „2020 ist ein gutes Beispiel für den mittlerweile unvorhersehbaren Charakter des Klimas: wir hatten mit verschiedenen Szenarien zu kämpfen, Hitzeperioden neben kühleren und regnerischen Phasen. Die Ernte der Merlot-Trauben war am 15. September beendet und alles ist im Keller. Aktuell lesen wir auf Ornellaia die ersten Trauben von Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Petit Verdot. Die Trauben sind schön, reif und zeigen ein beachtliches Potenzial“ berichtet Axel Heinz, Gutsdirektor beider Betriebe.Ebenfalls in der Toskana, in Sarteano im wunderschönen Val d’Orcia, wartet Andrea Franchetti, Besitzer der Tenuta di Trinoro (23 Hektar Weinberge), geduldig auf die Lese des Merlots. „Der zunehmende Mond im September wird den Merlot-Trauben zu ihrer endgültigen Reife verhelfen. Jetzt gehe ich jeden Morgen in die Weinberge, um die Beeren zu verkosten, weil man den Geschmack spüren kann, der sich über Nacht weiterentwickelt hat.“ Für die Rebgärten mit Cabernet hingegen „muss man noch warten“. Im Trentino und genauer gesagt auf San Leonardo (30 Hektar Rebfläche) ist Marchese Anselmo Guerrieri Gonzaga auch zufrieden mit seiner Merlot-Ernte. „Es ist noch zu früh, um ein fundiertes Urteil abzugeben, aber wir sind sehr zuversichtlich. Die Analysedaten zeigen eine optimale Säure und einen guten pH-Wert, der Zuckergehalt ist nicht so hoch und das wird zur Frische und Eleganz des Weines beitragen, charakteristische Merkmale unseres San Leonardo“. Auch hier muss noch weiter darauf gewartet werden, dass die Herbstsonne die Trauben des Cabernet Sauvignon vollreif werden lässt.
Pinot Nero. Vielleicht ist Pinot Nero nicht die erste Rebsorte, die einem in den Sinn kommt, wenn von Weinbau in Italien gesprochen wird, aber aus dieser Rebe mit schwierigem Charakter werden auch in Italien in einigen für ihren Anbau besonders geeigneten Gebieten erhabene Weine erzeugt. Eine dieser Zonen ist sicher das Oltrepò Pavese in der Lombardei. An sanften Hügeln baut das Weingut Conte Vistarino (200 Hektar Rebgärten) seit Mitte des 19. Jahrhunderts Pinot Nero an und das Sortiment umfasst fast ausschließlich Interpretationen dieser edlen Rebsorte. „Schon seit zwei Wochen sind alle Trauben unseres Pinot Nero im Keller und werden gerade vergoren“ erzählt Ottavia Vistarino. „Wir haben mit den Trauben für die Schaumweine am 19. August angefangen, es folgten die für unsere Rotweine, darunter die Crus Pernice, Bertone und Tavernetto. Besonders froh sind wir in diesem Jahr über die gute Ausgewogenheit zwischen Frucht und Vegetation. Das ergibt einen nicht so hohen Alkoholgehalt und wir rechnen mit besonders raffinierten Pinot Nero-Weinen“.
Nerello Mascalese. Die Symbolrebe des Ätna gehört zu den spätest reifenden Siziliens und ist hier wie in ganz Italien und im Ausland sehr gefragt. Auf Passpisciaro (26 Hektar Rebfläche), einem der allerersten Weingüter, die das Potenzial dieser besonderen sizilianischen Anbauzone erkannt haben, präsentieren die Trauben sich in perfektem Zustand und die Reifung schreitet optimal voran dank der spätsommerlichen Hitze und der Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, die bis zu 20 Grad Differenz aufweisen. Direktor Vincenzo Lo Mauro ist positiv gestimmt: „Wenn das Klima sich weiter so verhält, werden wir in den ersten Contraden gegen Ende Oktober mit der Lese beginnen“. Die Contrada Rampante, die höchstgelegene des Betriebs, wird wahrscheinlich zuletzt geerntet. Aber wie sich Lo Mauro nach mehr als 20 Lesen erinnert, ist jeder Jahrgang anders in der Weinwelt, vielleicht mehr als in anderen Bereichen, und man lernt wirklich nie aus.
Wer wollte ihm widersprechen?