Der „Sassicaia“ Argentiniens

Ich habe zu einem rustikalen Schweizer Gericht in meinem Weinkeller einen dazu passenden Wein gesucht. Gefunden habe ich eine Einzelflasche Pinot Noir Chacra Cinquenta y Cinco 2011.
Keine Ahnung, wie der in meinen Keller kam. Wie auch immer, ich habe ihn mit meiner Frau zusammen am Ostermontag genossen. Natürlich hat mich „der Hafer gestochen“ und ich bin im Internet auf die Suche nach Informationen gegangen. Hier meine Resultate und Eindrücke.

766_Bodega Chacra 1Das Weingut
Die Bodega Chacra liegt im argentinischen Rio Negro Valley im nördlichen Patagonien, rund 1.000 km südlich von Buenos Aires und ca. 2.000 km nördlich von Tierra del Fuego. Sie liegt in der Mitte zwischen Atlantik und Anden. Das sehr trockene Klima der zentralen argentinischen Wüste, in der sich das Weingut befindet, wird durch die Flüsse Neuquen und Limay gemässigt. Das Rio Negro Valley selbst ist ein ehemaliger Gletschersee, der 25 km breit ist und 750m über dem Meeresspiegel liegt. Heute wird das Tal durch ein riesiges Kanalnetz bewässert, das britische Kolonisten in den späten 1820er Jahren ausgegraben haben. Mit dem aus den Anden schmelzenden Schnee konnte so mitten in der Wüste eine Oase geschaffen werden.

Bodegas-Chacra-PatagoniaDas Klima im Rio Negro Valley ist trocken, die maximale Luftfeuchtigkeit beträgt 30%. Im Jahr fallen durchschnittlich nicht mehr als 7cm Niederschlag. Diese Trockenheit in Kombination mit der natürlichen Grenze der umgebenden Wüste macht es der Reblaus unmöglich, sich hier anzusiedeln. Auch andere Rebkrankheiten treten hier selten auf. Die Luft ist rein von Umweltverschmutzungen. In den ersten Monaten des Jahres, während der Reifezeit, liegen die Temperaturen durchschnittlich zwischen 28 C am Tag und 9 C in der Nacht. Die Jahreszeiten sind klar strukturiert, der Sommer ist heiss, der Winter kalt, Herbst und Frühling stets mild.

Piero-Incisa-della-Rocchetta-Bodega-Chacra-Founder2004 erwarb Piero Incisa della Rocchetta, einen stillgelegten, bereits 1932 gepflanzten, Weinberg für die Bodega Chacra. Auf diesem einzigartigen Weinberg entstehen heute kleine konzentrierte Pinot Noir Beeren, die auf eigenen Unterlagen gepflanzt wurden. Der Weinberg wird dominiert durch Kiesboden mit erheblichem Kalkgehalt. Im Jahr wird meistens fünf Mal bewässert. Eine grüne Ernte im Januar reduziert die ohnehin geringen Erträge, sodass bei der Ernte jeder Rebstock meist nur fünf kleine Trauben trägt. Die Lese erfolgt natürlich per Hand in der ersten Märzwoche in den frühen Morgenstunden. Die Trauben werden dann gekühlt in kleinen Kisten zum Weingut gebracht. Die Trauben werden von Hand abgebeert, sortiert und dann in 200 Liter Tanks zur Gärung abgefüllt.

Während des gesamten Herstellungsprozesses werden keine Maschinen eingesetzt. Die Beeren werden im Ganzen, ohne vorher zerstossen zu werden, in den Gärbottich getan. Diese Methode, die Ähnlichkeiten zur „carbonic maceration“ aufweist macht es möglich, dass der Wein subtile, komplexe und fein strukturierte Tannine, die sehr typisch für alte Reben sind, bilden kann. Die Fermentation erfolgt spontan und dauert bei einer durchschnittlichen Temperatur von 26 C ca. 3 Wochen.

Ist die alkoholische Gärung abgeschlossen, wird der Wein ohne Filterung in kleine französische Eichenfässer umgefüllt. Barriques von drei unterschiedlichen burgundischen Fassbindern werden eingesetzt, davon sind nur 20% neu. Die enge, feine Maserung der burgundischen Eiche minimiert eine Oxidation und verhindert auch eine zu starke Übertragung des Holzgeschmacks. Der biologische Säureabbau beginnt spontan, sobald der Wein ins Fass abgefüllt ist. Nach etwa sechs Monaten ist er abgeschlossen. Danach wird eine kleine Schwefelmenge hinzugefügt, die ungewollte Bakterien abtötet. Insgesamt bleibt der Wein für 12 Monate ungestört im Fass. Die Flaschenabfüllung findet in den ersten Juniwochen ohne Schönung und Filtration statt. Ziel ist es die Einflüsse von Eiche, Frucht und Boden perfekt miteinander zu verbinden, so dass der Holzgeschmack fast unmerklich wird und das Terroir und Wein voll zum Ausdruck gelangt.

Seit der Übernahme des 1932 entstandenen Weinbergs, hat Piero Incisa zwei andere alte Pinot-Noir-Weinberge entdeckt und erworben, die zwei weitere Bodega Chacra Single-Lagenweine ab dem 2006er Jahrgang produzieren. Der erste Wein, der von einem 1955 entstandenen Weinberg stammt, heisst Cingquenta y Cinco. Der zweite Wein von bereits 1967 gepflanzten Reben heisst Sesenta y Sete. In weiteren Jahrgängen wird der Barda (The Ridge) produziert werden.

Mitte 2005 war der Spatenstich für ein neues Weingut am 1932 gepflanzten Weinberg. Architekten haben ein elegantes, einfaches, durch seine Sandstein-Struktur mit der Wüsten-Umgebung völlig harmonisches Weingut konzipiert, welches eine vollständige Kontrolle über die Weinherstellung durch Schwerkraft ermöglicht. Bei einer angestrebten Produktion von 100.000 Flaschen je Jahrgang, produziert die Bodega Chacra vier der aussergewöhnlichsten und einzigartigsten Weine Argentiniens.

chacrapinotDer Wein
Vino Tinto Chacra Cincuenta y Cinco 2011
Traubensorte Pinot noir. Rubinrot. Aus alten, ursprünglich 55 jährigen, wurzelechten Rebstöcken gewonnen. Daher auch der Name. Im Jahr 2011 wurden 16244 Flaschen abgefüllt. Die konsequent biodynamische Produktion ergibt einen Wein von seltener Klarheit und Tiefe. In der Nase eine angenehme Kirschennote, dunkle Beeren, Erdbeeren und Himbeeren. Subtile, fein strukturierte Tannine, zart eingebundenes Holz und eine gut ausbalancierte Säure. Es lohnt sich, diesen Wein 2 Stunden vor Gebrauch zu öffnen oder aber noch einige Jahre zu warten. Schade nur, dass ich nur eine dieser wirklich exzellenten Flaschen im Keller hatte. 18/20.

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