Abgesehen von einzelnen humorvollen Weinexperten hat es doch niemand gewagt, dem Cheval Blanc 2010 weniger als 20/20 zu erteilen. Zu Recht?
56% Cabernet Franc (CF), 44% Merlot. Anders gesagt, ziemlich die gleiche Aufteilung wie im Weinberg (58% Cabernet Franc and 42% Merlot) und dafür eine Assemblage, wie sie seit langen Jahren auf dem Chateau nicht mehr stattgefunden hat. Es ist, als ob Pierre Lurton wüsste, dass seine CF-Rebstöcke das Alter der Vernunft erreicht haben. Und reifer Cabernet Franc kann umwerfend elegant sein. Das wissen wir auch vom Anbaugebiet der Loire… Das Durch-schnittsalter der Rebstöcke von Chateau Cheval Blanc beträgt 45 Jahre, wobei einige CF-Rebstöcke über 100 Jahre alt sind. Bemerkenswert sind auch die perfekt eingebundenen 14.5% Alkohol des Weins im Jahrgang 2010.
Bereits in der ersten Nase fasziniert der Cheval Blanc 2010. Ein multidimensionales Duftkaleidoskop offenbart sich. Zunächst fallen köstliche Düfte edler Hölzer und Tabaksorten auf, welche schrittweise durch eine subtile, elegante Frucht umhüllt werden. Ausgereifte schwarze Johannisbeeren, welche an diesen Besuch von Christophe Adam bei einem japanischen Obstproduzenten erinnert, dessen Früchte methodisch in Schutzhüllen wachsen, aber auch eine exquisites Elixier schwarzer Beeren, ein Hauch Gewürze und Kokosnuss und nicht zuletzt ein riesiger Strauss weisser Rosen und Veilchen bilden dieses unvergessliche Bild. Es strahlt die gleiche, frische Kraft und die gleiche Weisheit aus wie ein Werk von Hokusai und man lässt sich gerne verführen.
Der Gaumen hält stand und offenbart feine, ausgefeilte Tannine, es ist die Unterschrift der Perfektion, welche sich da im Mund entwickelt. Alles wirkt seidig, alles wirkt intensiv und edel, alles bietet eine seltene Harmonie und Tiefsinn. Die Frucht ist generös und wiederum perfekt ausgereift. Sie spielt die Rolle der zentralen Bühne, wo eine märchenhafte Dramaturgie aufgeführt wird. Später erfährt man durch den Händler, dass die Ernte der Beeren nur im besten Zustand stattgefunden hat und, dass diese drei Wochen lang gedauert habe. Doch ist der Vergleich mit diesem japanischen, perfektionistischen Obstproduzenten, dessen Name ich vergessen habe, wohl verdient. Beide strahlen die gleiche Authentizität der Düfte ,der Aromen und die gleiche, delikate Perfektion der Frucht aus. Bloss das Finale ist aktuell besonders dicht, straff und schliesslich verschwenderisch.
20/20
Der Cheval Blanc 2010 ist in der Schweiz bei Granchateaux und bei Mövenpick erhältlich.